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Aktuelles rund um die Rechtsprechung

BGH verneint Anwendbarkeit des § 314 Abs. 3 BGB im Wohnraummietrecht

 
 
Eine auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB gestützte fristlose Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses ist auch dann wirksam, wenn sie aufgrund älterer Mietrückstände erfolgt. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13.07.2016 entschieden. Die Regelung des § 314 Abs. 3 BGB, wonach der Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen kann, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat, ist nach Auffassung des BGH neben den speziell geregelten Vorschriften zur fristlosen außerordentlichen Kündigung im Wohnraummietrecht nicht anwendbar (Az.: VIII ZR 296/15).

Kündigung erst nach mehr als sieben Monaten

Die Klägerin, eine katholische Kirchengemeinde, hatte der Beklagten seit 2006 eine Wohnung in Düsseldorf vermietet. Die Beklagte blieb die Mieten für die Monate Februar und April 2013 schuldig. Nach einer erfolglosen Mahnung vom 14.08.2013 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 15.11.2013 wegen der weiterhin offenen Mietrückstände fristlos. Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht hat sie unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung abgewiesen. Nach Auffassung des LG war die Kündigung der Klägerin gemäß § 314 Abs. 3 BGB unwirksam, weil sie erst mehr als sieben Monate nach Entstehen des Kündigungsgrundes und damit nicht mehr in angemessener Zeit erfolgt sei. Die Beklagte sei schutzwürdig, weil sie angesichts des Zeitablaufs davon habe ausgehen dürfen, dass die Klägerin von ihrem Kündigungsrecht keinen Gebrauch mehr machen werde. Für die Beklagte als ehemalige Küsterin der Klägerin habe es durchaus nahegelegen, dass diese aus sozialen und ethischen Erwägungen nach derart langer Zeit keine Kündigung mehr erklären werde. Mit ihrer vom LG zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Klärung bislang umstrittener Rechtsfrage

Der BGH hat entschieden, dass § 314 Abs. 3 BGB neben den speziell geregelten Vorschriften zur fristlosen außerordentlichen Kündigung im Wohnraummietrecht (§§ 543569 BGB) keine Anwendung findet. Diese vom VIII. Zivilsenat bislang offen gelassene Frage ist in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum umstritten. Bereits der Wortlaut der §§ 543 und 569 BGB spreche gegen eine zeitliche Schranke für den Ausspruch der Kündigung. Diese Vorschriften, die im Einzelnen die Modalitäten der fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses regeln, sähen weder eine Zeitspanne, innerhalb derer die Kündigung auszusprechen ist, noch einen Verweis auf § 314 Abs. 3 BGB vor.

Keine andere Bewertung nach Schuldrechtsmodernisierungsgesetz

Das entspreche auch der Zielsetzung des Gesetzgebers. Dieser habe ausweislich der Materialien zum Mietrechtsreformgesetz von 2001 bewusst davon abgesehen, festzulegen, dass die außerordentliche Kündigung nach §§ 543569 BGB innerhalb einer "angemessenen Zeit" ab Kenntnis vom Kündigungsgrund zu erfolgen habe. Die Gesetzesbegründung verweise darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Kündigungsrecht verwirkt werden könne und deshalb kein Bedürfnis für eine solche Festlegung bestehe – zumal eine einheitliche konkrete Ausschlussfrist angesichts der Vielgestaltigkeit der Mietverhältnisse ohnehin nicht festgelegt werden könne. Hieran habe sich durch die Einführung der allgemein für Dauerschuldverhältnisse geltenden Vorschrift des § 314 BGB durch das kurze Zeit später eingeführte Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nichts geändert, da ausweislich der Gesetzesbegründung die spezialgesetzlichen Einzelbestimmungen weder aufgehoben noch geändert hätten werden sollen.

Zuwarten mit Kündigung erfolgte im Interesse der Mieterin

Da die fristlose Kündigung von Mietverhältnissen in §§ 543569 BGB abschließend geregelt ist, war nach Auffassung des BGH bereits die Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB durch das LG rechtsfehlerhaft. Überdies sei seine Annahme, die Kündigung sei nicht in angemessener Frist ausgesprochen worden, als solche nicht berechtigt gewesen. Denn das LG habe weder berücksichtigt, dass die Zahlungsrückstände trotz Mahnung fortbestanden, noch, dass die Klägerin durch das Zuwarten mit der Kündigung vielmehr Rücksicht auf die Belange der Beklagten genommen hat (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB).

BGH verneint Verwirkung des Kündigungsrechts

Die vom LG beanstandete "Verzögerung" der Kündigung führte nach dem Urteil des BGH überdies auch nicht zur Verwirkung des Kündigungsrechts. Tragfähige Anhaltspunkte für ein berechtigtes Vertrauen der Beklagten, dass die Klägerin von ihrem Recht zur fristlosen Kündigung wegen Verzugs mit zwei Monatsmieten keinen Gebrauch machen werde, seien nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich (sogenannter Umstandsmoment). Sie lägen insbesondere nicht schon darin, dass es sich bei der Klägerin um eine Kirchengemeinde handelt und die Beklagte früher bei ihr als Küsterin beschäftigt gewesen ist. Der Senat habe deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und das amtsgerichtliche Urteil wiederhergestellt, da die fristlose Kündigung aufgrund des Zahlungsverzugs berechtigt und wirksam war.

Quelle: Nachrichten der beck-aktuell-Redaktion vom 13. Juli 2016

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